Wie bereits berichtet, beeinflusst die Pandemie die Logistik in einem außergewöhnlichen Maße. Die gesamte Transportbranche wird mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Da die Situation sich weiterhin nicht verbessert, möchten wir Ihnen hiermit ein Update zur aktuellen Situation geben:
Equipment / Frachtraum auf den Schiffen
Warum besteht ein Mangel an Equipment?
Weder in den Seehäfen noch in den Inlandsdepots der Reeder ist ausreichend Leer-Equipment vorhanden. Grund dafür ist in erster Linie ein hohes Frachtaufkommen im Transpazifik- und Westbound-Verkehr von Asien nach Europa. Durch die Blockade des Suezkanals verschärft sich der bereits vorhandene Equipmentmangel weiterhin. Ein regelrechter „Equipment-Notstand“ wurde in der Logistikwelt ausgerufen. Schon alleine in Deutschland fehlen mehrere Tausend TEU. Viele bestehende Buchungen können somit nicht abgedeckt und ausgeführt, sondern schließlich nur noch storniert werden.
Auch die Situation in den USA trägt nach wie vor nicht zu einer Verbesserung der Lage bei. Das hohe Importvolumen in den US- Seehäfen (vor allem an der US-Westküste und Savannah an der Ostküste) kann immer noch nicht vollkommen abgefahren werden. Tausende beladende Container warten dort auf Anlandung, Weitertransport und Rückführung der Leercontainer in den Kreislauf.
Warum ist der Frachtraum so knapp?
Für alle Relationen gilt ein außergewöhnlich hohes Frachtaufkommen. Zu Beginn der Pandemie wurde seitens der Reedereien von einem sinkenden Frachtaufkommen ausgegangen. Schiffraum wurde verknappt. Die Reedereien haben die Situation in den Bereichen Tonnage und auch Equipment maßlos unterschätzt.
Hinzu kommen die immer noch andauernden Auswirkungen durch den Unfall auf dem Suezkanal. Aus dieser Situation resultieren Blank Sailings, vor allem im Bereich Fernost – Import aber auch Export, die zuletzt von den Konferenzen The Alliance und Ocean Alliance für den Monat Mai angekündigt wurden. Wie viel Tonnage letztendlich fehlt ist noch nicht absehbar.
Zusammenfassend gesagt, benötigt es für neue Buchungen einen Vorlauf von bestenfalls 2-4 Wochen. Kurzfristige Verschiffungen sind gegen Zahlung von weiteren Zuschlägen möglich. Eine wirkliche Platzgarantie wird aber seitens der Reeder nicht gegeben.
GRI / Ratenentwicklung im Export:
Nachdem es bereits im April starke Anpassungen bei Raten und Zuschlägen gegeben hat, ist auch im Mai mit weiteren Erhöhungen zu rechnen. Zuschläge wie Equipment Imbalance Surcharge (EIS) oder Peak Season Surcharge (PSS) wurden mittlerweile von allen Reedern eingeführt und werden regelmäßig erhöht. Auch weitere Zuschläge wie zum Beispiel eine Revised Equipment Repositioning Charge (ERC) werden von den Reedern angekündigt. Ebenso werden Priority- oder Expresszuschläge angeboten, die aber kaum Wirkung zeigen. Eine Garantie zur Mitnahme der Ware seitens der Reeder wird nicht übernommen. Trotz des hohen Ratenniveaus können bestätigte Buchungen vollständig abgesagt und neue Buchungen teilweise nicht angenommen werden.
Vor allem betroffen sind die Seefrachten in Richtung USA und Asien. Aus den Problemen im FCL Bereich resultieren auch Preiserhöhungen im LCL Bereich. Im Stückgutbereich (LCL) kommt es weiterhin dazu, dass mangels zeitnaher Abfahrtsmöglichkeiten und fehlendem Leerequipment immer mehr Sendungen, die unter normalen Umständen FCL verladen, aufgeteilt und als LCL Sendungen gebucht werden. Auch die Stückgutreeder (NVOCC) bekommen weiterhin keine weiteren Container zum Abfahren der Seefrachten zur Verfügung gestellt. Darum gehen die NVOCC im Moment sogar dazu über, gerade große und schwere Sendungen abzulehnen. Unsere Kunden nutzen mittlerweile vermehrt die Dienstleistung unserer High und Heavy Abteilung auch für Stückgüter, die sonst eher bei den LCL Carriern eingebucht werden.
Zurzeit erreicht die US-Westküste das höchste Ratenniveau. Die aktuelle Situation hat auch zunehmend Einfluss auf die Ratengültigkeit. So werden aktuelle Raten nur noch mit kurzer Laufzeit von den Reedern herausgegeben.
Schiffsverzögerungen
Zu den erhöhten Seefrachtraten und dem Mangel an Leerequipment ist die verladende Wirtschaft noch mit starken Verzögerungen der Schiffe konfrontiert. Das betrifft zum Beispiel Nordamerika den Export und den Import gleichermaßen:
Durch den immer noch andauernden Rückstau im Suezkanal sind viele der existenten Fahrpläne praktisch ungültig. Es kommt vermehrt zu Schiffsverspätungen. Die Schiffe sind weltweit im Durchschnitt 6 Tage verspätet. Dies führt zu zeitlichen Änderungen bei der Schiffsabfertigung und zu Verspätungen in den europäischen Häfen.
Es wurde im Zusammenhang mit dem Unfall der Ever Given im Suezkanal wie schon so oft über mögliche alternative Routen nachgedacht. Eine Möglichkeit bietet die Bahnstrecke zwischen China und Deutschland. Diese ist aber bereits bis zum Sommer fast vollständig ausgebucht. Eine weitere Strecke ist die sogenannte Nordostpassage entlang der Arktis, welche aber aus Umweltschutzgründen von den meisten Reedern abgelehnt wird. Eine denkbare Alternative ist die Route um das Kap der Guten Hoffnung. Diese Route nimmt ungefähr sieben Tage mehr Zeit in Anspruch und liegt insgesamt kaum über den Kosten der Suezkanalroute.
Port Congestion
Eine Überlastung der Häfen tritt auf, wenn mehr Container umgeschlagen werden müssen, als ein Terminal normalerweise zu bewältigen vermag. So kommt es zu verlangsamten Abläufen, da an den Hafenterminals mit begrenzten Arbeitskräften und geteilten Schichten aufgrund von COVID-19 gearbeitet wird. Die europäischen Nord- und Westhäfen in sind aktuell mit einer großen Menge an einlaufenden Schiffen konfrontiert, die im Suezkanal festsaßen. Dies könnte wieder zu früheren/späteren Abfahrten führen, da sie alle Betriebspläne der Umschlagbetriebe und die Liegezeiten zurzeit überarbeitet werden. Ein Port Congestion Zuschlag ist von einigen Unternehmen bereits angekündigt worden.
USA
Zusätzlich zu den pandemiebedingten Problemen spielt die Trucker-Shortage und die mangelhafte Infrastruktur der Eisenbahn eine tragende Rolle bei der Port Congestion.
Europa
Auch die Terminals sind zu Umstrukturierungen gezwungen. So nehmen sämtliche Terminals in Hamburg, nur noch 48-72 Stunden vor Schiffsankunft die Container an. Ähnlich ist die Situation in Antwerpen und Rotterdam. Das führt nicht nur zu einem erhöhten operativen Aufwand bei Kunden und Speditionen, sondern auch zu erhöhten Kosten, die durch Zwischenlagerung der Lieferungen oder Anpassung der Containergestellungen entstehen. Diese Kosten gehen zu Lasten der Ware.
Ähnlich verhält es sich im Stückgutbereich. Die CFS (Container Freight Station) haben kaum noch Kapazitäten Sendungen zwischenzulagern. Daher dürfen auch im LCL Bereich Sendungen nur bis zu 48 Stunden vor Ladeschluss angeliefert werden – große Sendungen oft erst am Tag des Containerpackens.
Import LCL und FCL
USA
Beim US Export macht sich die in den USA allgegenwärtige Trucker-Shortage durch die Pandemie noch stärker bemerkbar. Preise steigen und overnight deliveries, die gerade im LCL Bereich so wichtig sind, können immer schwieriger kalkuliert werden.
Zusätzlich wiegt schwer, dass sich die Verzögerungen beim US-Import auch weiterhin auf den US-Export auswirken. Schiffe, die bei Ankunft nicht entladen werden, können auch nicht rechtzeitig wieder fahren. Leider verzögern sich deshalb auch die Ankunft in den europäischen Häfen und es muss aufgrund der Situation weiterhin mit längeren Transitzeiten gerechnet werden. Sendungsempfänger in Europa sind auch mit ähnlichen Situationen wie in den USA konfrontiert. Zwar gibt es nicht so ausgeprägte Liegezeiten der Schiffe, trotzdem arbeiten Terminals, Behörden und die im LCL Bereich wichtigen CFS (Container Freight Station) coronabedingt eingeschränkt. Diese Umstände verhindern im Moment einen reibungslosen Ablauf.
Zudem kommen neue Lager- und sogenannte Stop-off-Gebühren hinzu. Dies ist eine Folge der begrenzten Anzahl an Containern auf Zügen. Container müssen eingelagert werden, da die maximale Anzahl pro Tag auf den Zügen erreicht ist. Platzreservierungen können nicht vorgenommen werden und es werden nur noch ausgewählte Container mitgenommen. Wenn diese Situation anhält, werden diese Gebühren künftig bei allen neuen Buchungen in den USA berechnet werden.
Streik in Montreal
Die Maritime Employers Association (MEA) bekam vom Vorstand der Gewerkschaft der Hafenlöhner von Montreal eine 72-stündige Ankündigung eines unbefristeten Generalstreiks, der am Montag, den 26. April begonnen hat.
Asien
Die ungebrochene Nachfrage nach Containerequipment und Schiffsraum für die Importe aus Asien, führen zu einer erneuten Verschärfung der Situation im internationalen Warenverkehr. Hinzu kommen ebenfalls die massiven Auswirkungen des blockierten Suez-Kanals durch die havarierte Ever Given. Nach einer Woche der Ungewissheit ist der Suezkanal zwar wieder frei, dennoch ist der Vorfall die Ursache vieler neuer Probleme. Der durch den Unfall verursachte Rückstau in beide Richtungen, hat unmittelbaren Einfluss auf die jeweiligen Eastbound- und Westbound-Exporte. Das auf den Schiffen geladene Equipment und die Frachtkapazitäten waren schon fest eingeplant. Es wird angenommen, dass sich infolgedessen der vorhandene Frachtraum um 25 % verknappen könnte. Nach einer leichten Entspannung im März, wurden massive Ratenerhöhungen im April von den Reedern durchgeführt. Im Mai könnten die Raten sogar weiter steigen und auf das Preisniveau vor dem chinesischen Neujahrsfest im Januar zurückkehren.
LKW
Containertransporte per LKW
Die Flexibilität der Container-Anlieferung in den Häfen ist aktuell begrenzt durch kurze Zeitfenster bei Anlieferung. Trotzdem steigt die Verweildauer der LKWs an den Terminals. Die Situation wird durch Fahrermangel und LKW-Engpässe verschärft. Ähnliche Verhältnisse gelten für die Bahnterminals. Die Anlieferung dauert zum Teil mehrere Stunden, wie beispielsweise an hochfrequentierten Lägern für LCL bzw. Stückgütern. Auch die Laufzeit im Sammelgut hat sich verlängert und ist oft nicht mehr in 48 Stunden zu bewerkstelligen.
Einzelne Containertrucker akzeptieren nur noch Rundläufe weil selbst bei Rückgabe der Leercontainer im Inland keine Rückladung mehr aufgenommen werden kann, da viele Reeder an verschiedenen Inland Depots kein Leerequipment mehr für den Export zur Verfügung stellen.
Landverkehre
Dieselbe Problematik wie beim Containerverkehr betrifft weiterhin auch die Unternehmen im nationalen und internationalen LKW-Verkehr bei Abholung und Entladung bei Kunden- und Speditionslägern oder im Hafen.
Wir weisen darauf hin, dass Interfracht leider keinen Einfluss auf die aktuelle Situation hat. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Situation zu den europäischen Sommerferien verbessern wird. Interfracht möchte mit einer transparenten Kommunikation der aktuellen Herausforderungen versuchen, Sie als unsere Kunden informiert zu halten sowie Ihre Transportanfragen/-Buchungen jeglicher Art zu erleichtern und so angenehm wie möglich zu gestalten. Bei Fragen stehen Ihnen unsere Mitarbeiter jederzeit bereit und helfen Ihnen gerne die bestmögliche Transportlösung für Sie zu finden.